Karneval in Bagolino

Im Rahmen eines 4-wöchigen Erasmus-Austauschs nach Brescia, Italien, durfte ich das jahrhundertealte Karnevalsfest in Bagolino miterleben. Mein erster Gedanke nach Ankunft vor Ort war: „Das muss ein wahrgewordener Fiebertraum sein“, denn für Außenstehende wirkt es auf den ersten Blick absurd, was sich in dem kleinen Dorf in den Bergen abspielt. Den besonders einzigartigen Teil der Bagolino-Traditionen stellen die Balarí dar.

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Die Balarí sind Tänzer, die an den Tagen von Montag 6 Uhr bis Dienstag 21 Uhr zu traditioneller Volksmusik vor den Häusern ihrer Freunden und Verwandten tanzen (die traditionelle Weise wäre es, dies ohne Pausen zu tun, es werden heutzutage jedoch Pausen eingelegt). Diesen Tanz lernen sie im Vorjahr auf einer speziellen Schule. Balarí sind ausschließlich männlich und ihr Alter variiert stark. Die außergewöhnliche Kleidung der Tänzer fällt einem direkt ins Auge. Die Hüte der Balarí sind vollständig mit rotem Band bedeckt. Auf ihrer linken Seite befinden sich viele bunte Schleifen aus verschiedenen Bändern. Da das Karnevalsfest anfangs eine Gesellschaftskritik darstellte, repräsentieren die Balarí die reicheren Bürger oder früher die Herrscher. Dies sieht man auch an den Aufnähungen der Hüte. Diese sind nämlich mit echtem Goldschmuck verziert. Traditionell sind es Schmuckstücke von weiblichen Verwandten (z.B. Mutter oder Schwester) des Balarís, der sie trägt. Das Gesicht der Balarí ist von einer Maske, die größtenteils weiß ist, jedoch auch einen schwarzen Bereich an den Augen und rote Lippen aufweist, verdeckt. Die restliche Kleidung besteht aus einem weißen Hemd mit schwarzer Krawatte, darüber ein schwarzes Jacket mit einer Schärpe und ein Schaal mit Fransen der eher wie ein Umhang wirkt, weißen Handschuhen, einer schwarzen ¾ Hose und handgemachten, langen, weißen, gestrickten Socken, sowie schwarzen Schuhen. Die schwarze Tracht, besonders die Hose, die Schärpe und die Ärmel des Jacketts, sind mit bunten Motiven bestickt. Besonders häufig sieht man Blumen. Den Gegensatz zu den Balarí, welche die Oberschicht repräsentieren, bilden die Maschér die Unterschicht ab. Die Maschér sind Menschen, die sich als alte Leute verkleiden. Sie werden Vecio (männlich) oder Vecia (weiblich) genannt. Die Kleidung besteht aus grotesken Gummimasken, Holzschuhen und Handschuhen. Die Frauen tragen lange schwarze Kleider und Kopftücher.

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Die Maschér laufen gebeugt und sind häufig mit einem Gehstock und einem Korb ausgestattet. Außerdem verstellen sie ihre Stimmen, sodass nicht klar wird, ob sich unter der Maske ein Mann oder eine Frau verbirgt. Nach der Tradition würden die Maschér durch die Stadt laufen und sich über die Besucher des Karnevals lustig machen und sie sogar berühren. Heutzutage ist diese Tradition meines Wissens nach ausgestorben und die Vermummten laufen nur noch durch die Stadt, um mit den Besuchern des Karnevals zu reden und Fotos zu machen. Die meisten Bewohner der Stadt sind auch verkleidet. Ihre Kostüme sind jedoch nicht zufällig gewählt, sondern sind den Kostümen der Maschér, obwohl sie keine Masken tragen, ziemlich ähnlich. Frauen tragen auch lange Kleider oder Röcke und Kopf- oder Halstücher mit bunten Blumenmustern. Männer tragen auch schwarze Kleidung, Halstücher mit Blumenmustern und meistens Hüte. Das Besonderste an den Kostümen der Einheimischen sind jedoch die Schuhe. Diese sind nämlich vollständig aus Holz und Leder gefertigt und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Dies sorgt dafür, dass man überall an den Straßen das Klackern der Schuhe hört, welches an das Geräusch, das Pferde beim Gehen machen, erinnert. Die Zeit auf diesem Karneval war für mich eine einzigartige Erfahrung, denn solch ein Karneval findet man sonst nirgendwo auf der Welt. Durch die abgelegene Berglage des Dorfes sind die Traditionen der Stadt fast unangetastet und unverändert geblieben. Auch Tourismus gibt es kaum und die Gemeinde würde ihr Fest für nichts auf der Welt verändern.

Elisabeth Hoffmann (10c)

veröffentlicht am 10.4.2025